Viertes WALLS OF VISION-Werk in Bonn

Interpretation von Henry Sandhams „Bicycling“ (Aquarell, 1887) durch die Künstler von HIGHLIGHTZ an der Kreuzung Reuterstraße/Bonner Talweg

Das Künstler-Team von HIGHLIGHTZ wählte das Aquarell „Bicycling“ des kanadischen Künstlers Henry Sandham als historische Vorlage für ein Fassadengemälde, das eine Gruppe von Radfahrer*innen auf einem Feldweg inmitten einer bergigen, waldigen Herbstlandschaft zeigt.

Maßgeblich entscheidend für das gewählte Bildthema war der Standort der Hausfassade. Die Reuterstraße ist eine äußerst stark befahrene Hauptverkehrsader in Bonn mit einer sehr hohen Verkehrsdichte. Nicht selten sind hier Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs zu verzeichnen. Das weiß auch Simon Horn von HIGHLIGHTZ aus eigener Erfahrung, da ihn sein täglicher Arbeitsweg über die Reuterstraße führt. Gerade an einer so stark befahrenen Straße wie der Reuterstraße erscheint es seiner Meinung nach sinnvoll, mittels eines Fassadengemäldes auf die ortsabhängig mehr oder weniger stark ausgeprägte, kritische Verkehrslage in Bonn aufmerksam zu machen.

Die Kernbotschaft des Fassadenbildes scheint sich gewissermaßen bereits mit Blick auf die gewählte historische Vorlage, das Werk von Sandham, herauszukristallisieren. Dieses unterscheidet sich bezüglich Bildthema und Bildkomposition immerhin nur geringfügig von der zeitgenössischen Interpretation von HIGHLIGHTZ. So bildet Sandhams Aquarell in ganz ähnlicher Weise eine Gruppe von Radfahrer*innen ab, die einen geselligen Gruppenausflug in die Natur inmitten herbstlicher, heiterer Atmosphäre unternehmen und auf Hochrädern, historischen Fahrrädern, einen rechtskurvig gewundenen Feldweg entlangfahren. Sie bewegen sich dabei direkt auf den Betrachter des Bildes zu. Unter den insgesamt elf Personen befinden sich zehn Männer und eine Frau, wobei die Radfahrer sich allesamt auf Ein- und Zweirädern fortbewegen, während die einzige Radfahrerin an der Spitze der gesamten Gruppe auf einem dreirädrigen Gefährt unterwegs ist.

Der Eindruck, dass es sich bei den Radfahrer*innen um eine zusammengehörende Gemeinschaft handelt, wird nicht nur dadurch bestärkt, dass die Fahrenden miteinander interagieren – so dreht sich etwa ein Mann zu seinem Begleiter um. Auch die sehr einheitliche Kleidung der Radfahrer in dunkelblauen Tönen trägt verstärkt zu diesem Eindruck bei. Ringsum des Weges befinden sich Felder und bunt verfärbte Laubbäume, hinter denen in der Ferne kaum merklich ein Kirchturm hervorragt. Wohlgemerkt hegte Sandham gemeinhin eine Vorliebe für Landschaften Kanadas, Kaliforniens oder Haitits, die er mit seiner scharfen Beobachtungsgabe virtuos im Bild einzufangen wusste und zuweilen gerne mit einem Hauch des Sentimentalen umgab.

Der wesentliche Unterschied zwischen der historischen Vorlage und dem Fassadenwerk von HIGHLIGHTZ besteht in einer Spiegelung des Bildes: Befinden sich die Radfahrer*innen auf Sandhams Aquarell aus ihrer Perspektive gerade in einer Rechtskurve, befinden sie sich auf dem Wandbild von HIGHLIGHTZ gerade in einer Linkskurve. Die Bildspiegelung bewirkt, dass die auf der Reuterstraße in Richtung Bundeskanzlerplatz vorbeifahrenden Betrachter*innen des Fassadenbildes stärker in das Bildgeschehen miteinbezogen werden. Der Feldweg auf dem Wandbild wirkt gewissermaßen wie eine Fortsetzung oder ein Abzweig von der Reuterstraße. Zugleich scheinen die Radfahrer*innen auf dem Wandbild den Autofahrer*innen auf der Reuterstraße direkt entgegenzufahren. Herbeigeführt wird damit letzten Endes eine wirkungsvollere und unmittelbarere „Konfrontation“ der Autofahrer*innen mit dem gemalten Fassadenbild und zugleich mit seiner Botschaft.

HIGHLIGHTZ‘ Werk weist gegenüber Sandhams Aquarell auch anderweitige Modifikationen auf. Unter anderem sind HIGHLIGHTZ bedacht, einen konkreten Ortsbezug zur Stadt Bonn herzustellen, indem sie in der Hintergrundlandschaft das Siebengebirge und den Drachenfels eingefügt haben. Weitere Abänderungen wurden im Hinblick auf die Gruppe der Radfahrer*innen und ihre Zusammensetzung vorgenommen. Die Personenzahl ist von elf auf zehn Radfahrer*innen reduziert, unter denen es nur sieben Männer, dafür aber zwei Frauen und sogar ein Kind gibt. Damit sollen verstärkt alle Menschen adressiert werden, die das Bild betrachten, unabhängig von ihrem Alter und Geschlecht. Einen zusätzlichen Hingucker stellt der kleine Hund im Vordergrund des Bildes dar, der in die Rolle eines Begleiters der Radfahrer*innen schlüpft. Bei eingehender Betrachtung des Fassadenbildes fällt ferner ein blaues, rundes Schild mit einem Fahrrad am Wegesrand auf, das ebenfalls in der historischen Vorlage fehlt.

Interessanterweise verzichten HIGHLIGHTZ bei ihrer zeitgenössischen Interpretation von Sandhams Werk auf eine Modernisierung der Fahrräder und behalten stattdessen das Motiv der historischen Hochräder bei. Dieser Umstand mag verwundern, erst recht, wenn die Künstler am Wegesrand ein Straßenschild eingefügt haben, das ein modernes, zeitgenössisches Fahrrad zeigt. Dieser anachronistische Kunstgriff, das motivische Nebeneinander von Erfindungen unterschiedlicher Epochen bewirkt eine Irritation auf Seiten des/der Betrachters*in. Dass eine Brücke zwischen damals und heute geschlagen und der Blick verstärkt auch auf die vergangenen, historischen Errungenschaften gelenkt wird, verleiht dem gesamten Werk zusehends eine nostalgische Komponente. Es wird eine Zeit in Erinnerung gerufen, in der Automobilverkehr noch eine bedeutend geringere Rolle spielte als heutzutage und in der die Menschen nicht mit den entsprechenden Konsequenzen wie Luft- und Umweltverschmutzung zu kämpfen hatten.

Impressionen

Projektpartner: 

- HIGHLIGHTZ