Cosima Eggert und Jan "Eike" Schoch interpretieren Alfons Mucha in Essen

Alfons Muchas "Die vier Jahreszeiten" erfahren eine zeitgenössische und diskursive Interpretation auf vier Autobahn-Pfeilern der A40.

Nach der Fertigstellung der Säulen führten die Künstler noch einen thematisch passenden Workshop am in der Nähe gelegenen Leibnitz Gymnasium in Essen durch, bei dem u. a. zwei Wände auf dem Schulhof gemeinsam mit 25 Schülerinnen und Schülern gestaltet wurden.

Cosima Eggert und Jan "Eike" Schoch über ihren künstlerischen Ansatz: 

"Wir nehmen mit unserer Arbeit Teil an dem Projekte „Walls of Vision“ der Hans-Riegel-Stiftung. Dieses Projekt folgt dem Konzept, die Werke alter Meister von FassadenkünstlerInnen unserer Zeit neu interpretieren und in zeitgenössischem Sinne umgestalten zu lassen.

Der Jugendstil hat sich in seinem Selbstverständnis als Gegenstück zur Industrialisierung verstanden. Die Frau galt Mucha in diesem Kontext als Symbol für die Natur, für das Schöne. Mucha malte Frauen aus einer rein ästhetischen Perspektive; er porträtierte vornehmlich weiße, junge Frauen, die alle einem bestimmten Schönheitsideal entsprachen. Er wählte seine Modelle also nicht auf Grund ihrer individuellen Persönlichkeit, sondern auf Grund ihres Äußeren. Tatsächlich wurde und wird dem Jugendstil selbst immer wieder eine gewisse Inhaltsleere vorgeworfen. Um diese Arbeit im Sinne des oben genannten Projektes umzugestalten, haben wir uns für 3 Veränderungen entschieden, um den Kontrast zwischen der Epoche in der Mucha lebte und unserer heutigen Zeit herauszustellen: 


1. Die von uns dargestellten Frauen haben weder gleiche Hautfarben, ethnische Hintergründe, noch das gleiche Alter oder Aussehen.

2. Die Wahl der Porträtierten entscheidet nicht das ästhetische Äußere der jeweiligen Frau, sondern deren Relevanz innerhalb eines Themas. Es geht also nicht um die Frau als ästhetisches Objekt, sondern um das Individuum. 

3. Da die Geschichte der Frau seit dem 19.Jahrhundert gekennzeichnet ist durch Kämpfe um Gleichberechtigung, richteten wir unseren Fokus bei der Auswahl der Modelle auf Frauen, die sich in verschiedenen politischen, ökologischen, feministischen etc. Kämpfen engagieren.

In unseren Erläuterungen zu unserer Arbeit haben wir eines unmissverständlich klargestellt: Wir wollen die dargestellten Frauen nicht heroisierend hervorheben, wie es altertümliche Porträts in Form von representativen Vorbildern getan haben, sondern im Sinne eines zeitgenössischen Porträts dokumentarisch zum Diskurs stellen. Unsere Porträts sind wertfrei, wir ergreifen durch sie keine Partei für die dargestellten Frauen.

Zuletzt stellen wir in Kürze die dargestellten Frauen vor:

Frühling: Ivana Hoffmann
Sie schloss sich mit 19 Jahren der kurdischen Bewegung in Nordsyrien an, die den Aufbau einer geschlechtlich gleichberechtigten, ökologischen, basisdemokratischen Gesellschaft fokussiert. Als sich die kurdischen Gruppen als Verbündete des Westens, in erster Linie der USA, dem Kampf gegen den IS anschlossen, griff auch Ivana zur Waffe und fiel im Alter von 20 Jahren im Kampf gegen den IS.

Sommer: „Pepper“
Wir porträtieren eine Freiheitskämpferin aus Hong Kong, die sich Pepper nennt und 2019 mit Hunderttausenden anderen gegen das „Auslieferungsgesetz“ demonstrierte, welches die Autonomie von Hong Kong gegenüber China massiv einschränken sollte und die demokratische Freiheit durch den chinesischen Machtapparat unterwandern würde. Den Massenprotesten zum Trotz wurde das durch große Teile der Welt kritisch betrachtete Gesetz verabschiedet. Tausende Demonstrierende sind in China inhaftiert, oder leben nun wie „Pepper“ im Exil. Da Pepper auch in den entsprechenden Dokus anonym bleibt und nur mit Maske zu sehen ist, porträtieren wir sie von hinten. Auf diese Weise auch stellvertretend für alle Freiheitskämpferinnen, die auf Grund ihres Aktivismus anonym bleiben müssen.

Herbst: Esneda Saavedra Restrepo
Sie gehört zum indigenen Volk der Yukpa in Kolumbien. Ihr Volk wird seit Jahren durch Paramilitärs aus ihren Lebensräumen vertrieben, teils mit Gewalt und Mord, um Steinkohle Abbaugebiete für westliche Unternehmen wie u. a. Glencore zu erschließen. Eine Delegation der Yukpa ist kürzlich durch die Welt gereist, um von ihrer Bedrohung zu berichten und waren auch in Essen. Gegen Esneda und andere Widerständige Yukpa sind mehrfach Mordanschläge verübt worden, um ihren Protest zu erschlagen. Über Esneda und die Yukpa hat u. a. die „Le Monde Diplomatique“ berichtet. 

Winter: Sara und Yusra Mardini
Die beiden sind unter anderem bekannt durch die Netflix Doku „Die Schwimmerinnen“ und den Film „Gegen den Strom“. Sie sind mit 19 anderen aus Syrien geflohen und haben in einem Schlauchboot versucht das Mittelmeer zu überqueren. Als das Schiff havarierte und drohte unterzugehen, sind sie ins Meer gesprungen und haben das kaputte Boot mitsamt der 19 Menschen schwimmend bis nach Griechenland gezogen. Sara ist in der Flüchtlingshilfe aktiv geblieben. Sie steht nun bald wegen illegaler Flüchtlingshilfe und angeblicher Mithilfe der illegalen Einwanderung vor Gericht. Das Säulengemälde wurde auf Basis einer Fotografie von Jonathan Segade für das Magazin Harper’s Bazaar angefertigt - sowohl der Fotograf als auch das Magazin stimmten der Verwendung ausdrücklich zu." 

- Ein Text von Cosima Eggert & Jan "Eike" Schoch

 

Impressionen